Autor: Joscha Kollascheck

Studierender der Content-Strategie @ FH Joanneum in Graz Redakteur / Portalmanager @ sms / code-b in Berlin ...mag Bücher, Kunst und Algorithmen ...schreibt diese Zeilen für sein FH-Joanneum-Webportfolio

Music for Brainwaves: Akustisches Gehirndoping für Content-Strategen

„Ambient music must be able to accomodate many levels of listening attention without enforcing one in particular; it must be ignorable as it is interesting. Ambient music is intended to induce calm and a space to think.“

Briano Eno

Wahrscheinlich hat jeder schon mal Walgesängen gelauscht oder wurde von diesen sanften, repititiven Panflötenstücken gequält während einer Yogastunde oder in einem Massagesalon. Die Wirkung dieser Entspannungsmusik von der Stange ist nicht wegzureden, aber sie ist in der Regel auch nicht unbedingt … aesthetically pleasing. Tatsächlich geht’s aber auch anders.

Ich besitze eine ziemlich umfangreiche Plattensammlung aus dem Ambient-Bereich, das ist eine Musik, die ich immer hören kann, obwohl man sie im konventionellen Sinne vielleicht als langweilig empfinden würde. Guter Ambient kann mich umheimlich anrühren und trotzdem kann ich dazu wunderbar arbeiten und entspannen. Es ist eine Musik wie ein liebgewonnenes Möbelstück – es ist einfach da, kaum bemerkt im Raum schwebend, doch wenn man einmal hinschaut, versinkt man einen Moment in unschuldiger Freude. Weniger kitschig als ich hat Ambient-Godfather Brian Eno die Sache Ende der Siebziger auf den Punkt gebracht, siehe obiges Zitat.

Was hat das jetzt mit Content-Strategie zu tun? Zwei Dinge: Erstens ist Ambientmusik Gegenstand einer spannenden aktuellen Content-Marketing-Kampagne eines internationalen Hotelunternehmens. In Zusammenarbeit mit dem Londoner Label Erased Tapes Records ist ein Album entstanden, das neurowissenschaftliche Erkenntnisse über die Einfluss von Musik auf das Gehirn verbindet mit dem ästhetischen Gespür der dort beheimateten Künstler Michael Price, Högni und Ben Lukas Boysen. Die Musik soll sich den Befindlichkeiten des modernen Business-Reisenden annehmen, aber sie funktioniert, finde ich, genau so gut bei angehenden Content-Strategen in der Masterarbeitshölle.

Bestimmte Oszillationen akustischer Stimuli, das heißt Töne, Rhythmen und Frequenzen können demnach die Aufnahmebereitschaft des Gehirns und die Konzentration steigern, sie können vielleicht zu einem bestimmten Grad Ängste lösen, sie können besänftigen.

Die Drei Stücke des Music For Brainwaves Albums tragen die Titel Focus in 12-18Hz, Ascend in 8-13.9Hz und Dream in 0.1-3.9Hz und sollen das Gehirn auf unterschiedliche Weisen beeinflussen, sie wurden komponiert, um die Leistungsfähigkeit zu steigern und die angespannte Psyche zu beruhigen. Ich habe den wissenschaftlichen Hintergrund des Projektes nicht recherchiert, aber das macht gar nichts, denn ich fühle mich trotzdem davon immens abgeholt und höre es gerade rauf und runter, während ich Dinge in mein Masterarbeitsdokument hineinschreibe. Vielleicht hilft es euch ja auch ein bisschen?

Hier gibt’s noch mehr Ambient-Empfehlungen, die ich gern zum Arbeiten höre (Spotify-Links):

Cardsorting im Ernstfall: Drei Survival-Tipps für Content-Strategie-Grünschnäbel

Die Brandsorting-Methode ist, wie wir wissen, eine von Margot Bloomstein für die Content-Strategie adaptierte Methode, die für Unternehmen sowohl bei der Identitätsfindung als auch auf ’ne Art als Gruppentherapiesitzung hilfreich sein kann und in meinem Falle außerdem wesentlich der Standortbestimmung in der Masterarbeitsfrühphase diente. Die Cardsorting-Feuertaufe beging ich dieser Tage gleich mit zwei Workshops – zusammen mit dem Töscherphilipp von den Kollegen des Grazer Internet-Fachblattes Allcontentstrategy.at.

Wie lief’s? Insgesamt war das schon nicht schlecht, schon ok. Es gibt Ergebnisse. Sie sind brauchbar. Da das Leben aber nicht eine immerwährende Euphorie ist und erstemaletypisch die Dinge nicht immerwährend sauber gearbeitet werden, wenn man sie neu ausprobiert, folgen hier nun meine Learnings aus den noch freshen Praxiserfahrungen als kartensortierender Content-Stratege im Feld.

Kenne die feinen Unterschiede

Es ist so, dass wir als Jahrgang auf Bloomsteinbasis ein eigenes Kartendeck entwickelt haben mit rund 150 (oder so, jedenfalls sind es sehr viele) Adjektiven, die als Markenattribute je nach Branche unterschiedlich verstanden und adaptiert werden können. In jedem Fall solltest du als Content-Strategie dir im Vorfeld wirklich ganz konkrete Gedanken über die möglichen Anwendungsfälle der Attribute in deinem Case machen und Anregungen parat haben, damit die Gruppe ins Diskutieren kommt.

Bei mir war es nämlich zunächst so, dass der Prozess vielleicht nicht vollständig embraced wurde und ein bisschen zäh ablief. Dies gelingt jedoch sicher besser, je mehr Cardsorting-Erfahrung man besitzt und wie tief man gedanklich schon drinsteckt, also im Projekt. Ein Cardsorting ohne Kenntnis und Gespür für das Unternehmen und seine Charaktere halte ich für wenig sinnvoll.

Andererseits, diese Beobachtung des schleppenden Beginns ist auch dahingehend aufschlussreich, dass das strategische Denken bzw. die Manifestierung einer Markenidentität in der Gruppe wahrscheinlich nicht sehr ausgeprägt ist, wenn es erst einmal zu wenigen starken Reaktionen auf die Begriffe kommt. Das sollte sich schließlich noch ändern, hier möchte ich aus Confidentiality-Gründen aber nicht zu sehr ins Detail gehen.

Don’t be too involved

Ist man als Content-Stratege zu sehr Teil des Projekts, ist man vielleicht sogar seit mehreren Jahren Teil des Teams bzw. des Unternehmens, um das sich das Strategie-Projekt dreht, sollte man die Rollenverteilung hinterfragen. Es könnte sich lohnen, einen befreundeten Content-Strategen als Moderator für die Cardsorting-Prozedur einzusetzen und diese Rolle nicht selbst zu übernehmen.

Die Prozesse der Methode sind definiert, und das nicht ohne Grund. Sie benötigt eine gewisse Zielstrebigkeit, aber auch ein überraschendes Momentum, sie möchte eine Debatte über das Why? des Unternehmens oder der Organisation anregen. Die Chance des Gelingens sinkt, wenn sich die Gruppe in kleinteiligen, hundertmal geführten Diskussionen verliert.

Es liegt ganz zentral in deiner Verantwortung als Moderator, dieses Momentum herbeizuführen, die Teilnehmer aus dem Business-as-usual-Mindset herauszulocken und einmal direkt zu hinterfragen, worin eigentlich der gemeinsame Weg, die Motivationen und Ziele des gemeinsamen Handelns begründet sind. Dies wird als unbelasteter Außenstehender in der Regel besser gelingen.

Hinterfragen und ermutigen

Die Superpower des Content-Strategen, das ist nicht nur das connecten der dots zwischen Business, Brand und Benefits, das ist auch insbesondere das Zuhören und das Einbeziehen aller an Content-Prozessen entscheidend mitbeteiligten Personen.

Während des Card-Sortings solltest du als Moderator entsprechend auch jene anwesenden Personen, die sich im Prozess als Angestellte des zweiten Gliedes im Beisein von Entscheidungsträgern eher zurückhalten. Mir erschien es, als hätten gerade diese Personen durch ihre Praxisnähe in der täglichen Kommunikationsarbeit die wichtigen Dinge zu sagen, die zwischen den großen Plänen der Geschäftsführung und den praktischen Möglichkeiten des Unternehmens eine gesunde Balance herstellen.

Wenn es darum geht, Kommunikationsziele zu bestimmen, die vom ganzen Unternehmen mitgetragen werden sollen, muss jeder zu Gehört kommen, der bei ihrer Verwirklichung eine Rolle spielt.

Zwei Content-Nüsse, die ich dieses Jahr ganz gerne knacken möchte

Jeden gottverdammten Tag werden unglaublich viele Dinge für Klicks, Faves, Shares, Drunterkommentare und Drunteremojis ins Internet reingeschrieben, viel zu selten fragen wir uns dabei: Reagiert das Internet auf mich oder reagiere ich auf das Internet? Heute ist es für mich zweifelsohne Zweiteres, denn die folgenden Beiträge meiner geschätzten Mitstudierenden an der Fachhochschule Joanneum zu Graz haben mich einfach in besonderem Maße abgeholt. 

Deswegen möchte ich hier einfach mal Danke sagen. Danke dafür, dass ihr das Internet zu einem besseren Ort gemacht habt mit euren Texten, die genau die Segmente des Content-Strategentums bedienen, die mich beruflich dieses Jahr umtreiben werden. So, yeah, also darum geht’s.

Quo vadis Messbarkeit im Content Marketing?

Der Reiberphilipp gibt sich morbide, denn er sagt: DER KLICK IST TOT. Huch. Aber er hat ja irgendwo recht. Tatsächlich ist dies etwas, was mich auch stark beschäftigt, was Werbebotschaften innerhalb seriöser journalistischer Umfelder betrifft.

Diese funktionieren häufig nach dem Trojanisches-Pferd-Prinzip, sind stark kontextbezogen und kommen im Look&Feel der Website daher. Sie verkleiden sich als Mehrwert, wollen aber eigentlich verkaufen. User folgen dem Lockruf des Klicks – und dann? Haben sie sich wirklich zum Kauf entschlossen und welcher Werbe-Touchpoint war dafür der auslösende Faktor? Who knows.

Dazu kommt das Problem der Banner-Blindheit. Eine alte Indianerweisheit sagt: Eine Werbung wurde gesehen, wenn sie mindestens eine Sekunde lang zu 100 Prozent im sichtbaren Bereich eingeblendet wird.
Aber was sagt das über die Wahrnehmung aus? Hat der User seine Konzentration auf den Content wirklich zugunsten einer Werbebotschaft unterbrochen? Die Frage bleibt offen.

Was sagen generische Kennzahlen wie Anzeigen-Impressions und Klickraten tatsächlich über die Wirksamkeit von Content-Marketing-Maßnahmen aus? Woher wissen wir, ob der kommunikative Akt der Marketing-Maßnahme geglückt ist? Wären nicht Kennzahlen, die Aussagen über die persönliche Auseinandersetzung des Users mit eine Marke treffen können, viel wertvoller? Ich freue mich auf einen Deep Dive in dieses Thema.

Intelligent Content in der Praxis


“Intelligent content is content that’s structurally rich and semantically categorized and therefore automatically discoverable, reusable, reconfigurable, and adaptable.”


ANNE ROCKLEY

Ich will dieses Thema gar nicht so groß denken, muss ich auch gar nicht im Rahmen meiner Projekte, die sich ja bloß auf Web- und Social-Media-Kommunikation beziehen. Und doch erscheint intelligent Content aktuell für mich noch nicht richtig greifbar, aber trotzdem so unglaublich nötig für das Content Management.

Denn dieses reibt sich oft auf in einem Spannungsfeld von entweder erheblichem manuellen Aufwand, um etwa in punkto Content-Verknüpfung und User-Aktivierung auf Websites einen konsistenten Auftritt hinzulegen oder man setzt auf Automatisierung, bleibt dabei aber generisch – und die User-Inklusion auf der Strecke.

Xenia hat hierzu einen interessanten Beitrag verfasst, Ivy auch. Ich möchte mich in diesem Jahr verstärkt damit befassen, wie ein Content-Management-System funktionieren kann, wenn es darum geht, dass komplexe Inhalte durch Redakteure semantisch ausgezeichnet werden sollen und werde hierzu ein Pilot-Projekt in meiner Agentur durchführen. Mal schauen, wie sich das ausgeht. Die Potenziale für Conversion-Optimierung einerseits und Zeitersparnis in der Content-Pflege andererseits sind jedenfalls riesig.

Wie der Relaunch nicht zum SEO-Desaster wird: Diese Checkliste ist ganz großes Kino!

In den vergangenen Monaten durfte ich mehrere Website-Revamps begleiten. Üblicherweise ist ein Relaunch mit dem Anspruch verbunden, der Website einen schicken neuen Look zu geben oder sie veränderten technischen Herausforderungen in diesem Internet anzupassen.
Dazu wird meist auch der Content auf den Prüfstand gestellt, was sich oft auf die Statik der Website auswirkt.

Dabei kann man aus SEO-Sicht erschreckend viel falsch machen. Was du tun musst, damit deine Website nach dem Relaunch Google’s Gunst nicht verliert, erfährst du hier.

Redirects nicht vergessen!

Oft geht ein Website-Relaunch auch mit einem Redesign der Content-Architektur einher. Seiten, die unter Umständen relevante Rankings für ein Thema aufweisen, werden aussortiert, überarbeitet, konsolidiert oder an einen anderen Ort verschoben.

Ein Blick in die Google Search Console gibt Aufschluss über die Sichtbarkeit der Unterseiten einer Website. Hier findest du Informationen über Rankings und ihren zeitlichen Verlauf. Ziehst du eine bestimmte Page um, das heißt, du veränderst ihre URL, muss eine Weiterleitung eingerichtet werden.

Redirects mit dem Status-Code 301 signalisieren Google einen dauerhaften Page-Umzug. Das bedeutet, dass die Suchmaschine fortan die neue URL indexieren wird und, wenn du bei der Onpage-Optimierung der Page nichts falsch gemacht hast, ihr Ranking beibehalten oder im Ideallfall verbessern wird.

Am besten legst du dir ein Spreadsheet an, in dem du definierst was mit jeder einzelnen Seite aus der ursprünglichen Content-Struktur geschehen soll und wohin gegebenfalls der Redirect zeigt. Diese reichst du zum Launch-Termin an den Administrator weiter oder trägst die Redirects selbst in eine htaccess-File ein.

HTTPS-Migration: Auf alles geachtet?

Dein Relaunch ist mit einer Umstellung auf ein verschlüsseltes SSL-Zertifikat und das HTTPS-Protokoll verbunden? Falls nicht, ist dies dringend angeraten, da HTTPS nicht zuletzt für Online-Shops oder andere Websites, die vertrauliche Userdaten verarbeiten, ein wichtiger Rankingfaktor geworden ist.

Achte darauf, dass alle internen Verweise und Medien-Assets via HTTPS-Pfad eingebunden sind. Wird dies nicht durchgängig gemacht, stuft Google bzw. der Webbrowser die Seite unter Umständen als „nicht sicher“ ein. Fehlerquellen stellen typischerweise auch folgende Elemente dar:

  • Canonical Tags / Hreflang Tags
  • CSS-Ressourcen
  • Javascript-Ressourcen
  • Bilder
  • Sitemaps
  • Social-Media-Links
  • Eingebunde Analytics-Scripts oder Adserver-Verweise

Überprüfe deine robots.txt

Die robots-Datei enthält Hinweise für Suchmaschinencrawler, wie die Website gelesen werden soll. Darin werden etwa Seiten angegeben, die nicht indexiert werden sollen. Bei einem Relaunch sollte jede einzelne Zeile auf ihre Gültigkeit überprüft werden, nicht zuletzt, da Google eine schlanke robots.txt sympathisch findet. Achte hierbei vor allem auf zwei Dinge:

  1. Existieren auf der neuen Seite die Noindex-Pfade noch? Solltest du sie vielleicht aktualisieren oder löschen?
  2. Gibt es einen Sitemap-Verweis? Ist dieser noch aktuell? Kontrolliere hier gegebenenfalls auch, ob eine HTTPS-Umstellung stattgefunden hat.

Reflection in action: waiting for Spieltrieb

Texte schreiben, das ist etwas, was mir so zufällt. Meine beruflichen Ambitionen waren dahingehend früher durchaus ambitioniert, heute nicht mehr so. Inzwischen fühle ich mich in der Schnittstellenrolle besser aufgehoben, also als derjenige, der über die Vitalparameter von Texten und Content wacht und darauf aufpasst, dass sie auffindbar sind und dass ihre sogenannte performance in die strategischen Ziele ihres digitalen Kanals einzahlt. Damit den Nutzern geholfen ist und auch dem Unternehmen.

Jedenfalls, das Texteproduzieren fällt mir eigentlich recht leicht. Das heißt allerdings nicht, dass die Qualität meines Outputs nicht größeren Schwankungen unterworfen wäre. Im Gegenteil, da ist dieses Portfolio das beste Beispiel. Damit mir ein Text gelingt und ich den ganzen Prozess als gewinnbringend und auch als eine persönliche Freude empfinden kann, brauche ich Zeit. Und, genau so wichtig: a state of play.

Fehlt der Spieltrieb und der kreative Impuls, empfinde ich das Bloggen als eine Last und eine bloße Pflichterfüllung. Es bringt mir keinen Mehrwert. Entsprechend unterschiedlich sind die Resultate. Entsprechend oft denke ich darüber nach, diese Seite zur members-only-area zu exklusivieren.

Anfangs hat mich die Idee gereizt, dieses Portfolio halbwegs ernsthaft als Content-Strategie-Blog zu betreiben und damit gleichzeitig das didaktische Konzept hinter dem Modul auszuprobieren: Die Reflektion des Gelernten, die Demonstration seiner Anwendung und der offene Diskurs mit den anderen lieben Menschen, die mit mir die Content-Strategen-Abrichtungsanstalt in Graz besuchen.

Bis heute ist mir das nicht gelungen. Nein, es ist sogar viel schwieriger geworden. Reflektieren braucht Raum. Spieltrieb braucht Raum. Schreiben braucht Raum.
Breaking News: Berufsbegleitend studieren lässt, meistens, keinen Raum. Die Fülle der Tasks des dritten Semesters geriet seinerseits oft zur bloßen Pflichterfüllung und ließ kaum eine tiefere Auseinandersetzung mit ihren Inhalten zu. Man blieb an der Oberfläche.

Das hier ist ein Blog. Seinem Autor, es fehlt ihm die strukturelle Möglichkeit des Bloggens. Als Pflichterfüllung zu schreiben über andere Pflichterfüllungen, das funktioniert für mich nicht gut. Es heißt also: Warten auf Spieltrieb, warten auf Raum, wie warten auf Godot. Vielleicht kommt er ja im nächsten Semester.  

User Personas: Die Kunst des Segmentierens

Website-Besucher können in den meisten Fällen ganz unterschiedliche Motivationen aufweisen, warum sie sich gerade für den Besuch meiner Seite entschieden haben. Darin liegt das klassische Distinktionsmerkmal bei der Persona-Segmentierung begründet: Die Ziele und Bedürfnisse, die ein User mitbringt, wenn er eine Website aufruft.

Die Website als Gesprächsangebot

Begreift man den Augenblick des Besuchs einer Website als Gesprächsversuch, der sich schließlich in eine messbare Conversion verwandeln lässt, muss die Website die Ziele der Besucher kennen und antizipieren. Sie muss die richtigen Antworten parat haben. Jeder User tritt mit einer unausgesprochenen Frage an die Website heran. Auf jede Frage, jedes Bedürfnis, das an sie herangetragen wird, muss sie mit passendem Content antworten können. Und dieser Content muss gleichzeitig in der Lage sein, die Unternehmensziele zu unterstützen.

Möchte sich jemand auf einer Website über Naturheilkunde über Wirkung von Kamillenblüten informieren, weil sein Arzt ihm den Wirkstoff gegen seine Halsschmerzen verschrieben hat, müssen entsprechende Informationen auffindbar sein. Idealerweise findet sich dazu noch eine Kaufmöglichkeit für getrocknete Kamillenblüten.

Eine andere Userin jedoch, die gerade einen Kräuterbeet für ihren Garten plant, benötigt vielleicht Angaben über Aussaat und Erntezeit der Pflanze. Bei der Segmentierung der erhobenen Userdaten kommt es darauf an, die konkreten Ziele und Bedürfnisse verschiedener Usertypen zu identifizieren – denn diese sind am Ende die wichtigsten Kriterien, die den Content formen.

Behaviours and Attitudes

Manchmal können aber auch verhaltens- oder einstellungsbezogene Merkmale (behaviours und attitudes) als Unterscheidungskriterien für Personas herangezogen werden. 

Grundsätzlich geben Erkenntnisse über goals, behaviours, attitudes und schließlich demographische Merkmale der User Aufschluss darüber, welcher Content benötigt wird, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Dieses Wissen sollte aber ebenso sehr in die Gestaltung einer Persona-Journey fließen, von der das Unternehmen profitiert.

 „If goals reveal what features and contentthat persona needs, then behaviours and attitudes show how those features andthat content should work.“


(Mulder / Yaar)

Hier geht es darum, was man als Website-Betreiber von seiner Persona erwartet: Was genau soll sie auf meiner Website tun? Welche Inhalte soll sie lesen, welche Features nutzen oder welche Interaktion durchführen? Denn schließlich geht es am Ende darum, mit dem User eine erfolgreiche Konversation zu führen, die auf konkrete Unternehmensziele einzahlt.

Auf Basis der beschriebenen Nutzerinnenmerkmale erfolgt die Segmentierung: Es gilt, in den umfangreichen erhobenen Datensätzen Geschichten, Gemeinsamkeiten und wiederkehrende Muster zu identifizieren, die eine Gruppierung erlauben und sich schließlich zu konkreten Personas auserzählen lassen.

Bauchgefüh zählt nicht

Für glaubwürdige und valide Personas greift man idealerweise auf harte Fakten zurück. Wer bei der Erstellung der digitalen Profile zu viel spekuliert und auf seine eigenen Intuitionen oder Erfahrungen vertraut, wird wahrscheinlich weiterhin Content für sich selbst produzieren – und eben nicht ganz unmittelbar für seine Zielgruppe. Personas sind nur dann sinnvoll für ein Unternehmen, wenn sie ein hohes Maß an „Echtheit“ abbilden können und entsprechend zu echten Resultaten führen.

Glaubwürdige Personas müssen daher nachweisen können, dass sie…

  • echte User repräsentieren, die für das Unternehmen relevant sind
  • in den für das Unternehmen wesentlichen Aspekten akkurat und vollständig porträtiert sind
  • die Userschaft einer Website vollständig abbilden

Quellen:

Mulder, S., & Yaar, Z. (2006). The User is Always Right: A Practical Guide to Creating and Using Personas for the Web. New Riders.

Über die manipulative Kraft von Infografiken

Liebes Internet,

im Rahmen meines Content-Strategie-Studiums nahm ich im zweiten Semester an einem Wahlpflichtkurs teil, der sich mit dem Thema Datenvisualisierung und Infografiken beschäftigte, und zwar auf vergleichsweise akademische Weise (lieb gemeint). Insgesamt war das ganz spannend, auch wenn ich auf die Wiedervorlage des Germanistik-Bachelorstudium-Endgegners hätte verzichten können, einem gewissen Ferdinand de Saussure.

Jedenfalls, der Kurs war insofern interessant, dass er konkret Anwendbares über Mechaniken der visuellen Verarbeitung von Daten im Bereich Journalismus und Unternehmenskommunikation einerseits vermittelte, aber auch über Strategien zur (manipulativen) Bedeutungsstiftung mithilfe von Daten. In nur wenigen Webinaren haben wir brandaktuellen Forschungsinput zu diesen Themen erhalten.

Fallbeispiel: Infografik aus der Unternehmenskommunikation

Die vorliegende Telekom-Infografik soll das Unternehmen als fleißig und fortschrittlich porträtieren. Als Analyse-Framework dienen Konzepte aus der Sozialsemiotik sowie die Metafunktionen nach Kress.

Die Infografik möchte die im Jahr 2017 angestrengten Bemühungen des Unternehmens dokumentieren, die Versorgung mit Breitbandnetz in Deutschland voranzutreiben und setzt dabei primär auf Narrativität und Piktorialität. So wird darin mit einer Reihe von in außergewöhnlich hohen Kennzahlen geäußerten Resultaten verschiedener Teilanstrengungen auf dem Weg zur Vollversorgung mit schnellem Internet der zentrale Topos der Infografik gerahmt: die Baustelle.

Es lässt sich darin ganz deutlich die Anlage einer visuellen Metapher feststellen: Am goldenen Schnitt der Abbildung befindet sich, leicht in Graustufen abgeblendet, die Zeichnung einer Stadt. Es handelt sich um eine durchschnittlich große, wahrscheinlich sogar eher eine kleine Stadt: Kirchturm statt Skyline. Damit wird Bezug genommen auf die noch immer weit verbreitete Unterversorgung mit Breitbandanschlüssen in ländlichen Regionen der BRD. Drumherum ranken sich nun illustrierte Baustellenmotive; Handwerker, Sattelzüge, Kräne, die daran arbeiten, die Stadt mit dem wichtigsten zu versorgen: mit der magentaroten Lebensader des modernen Menschen, dem Glasfaserkabel.

Alle diese Motive verweisen nun auf durch die Telekom erbrachte Leistungen eines Jahres und darüber hinaus. An mehreren Stellen finden sich Ausblicke für das Jahr 2018 – die Geschichte des Breitbandausbaus ist also noch lange nicht zu Ende geschrieben. Die Stapelung der “grauen Kästen” am rechten Bildrand trägt dazu die Anmutung eines Wolkenkratzers; ein Ausblick auf die Zukunft der Stadt dank Telekom-Technologie: Skyline statt Kirchturm.

Erkenntnisse und Reflektion

Die Infografik verzichtet auf vorgebliche Neutralität durch konventionelle Darstellungsmodi zur Veranschaulichung statistischer Daten. Sie versucht nicht, Transparenz und Faktentreue zu vermitteln. Vielmehr setzt sie vollständig auf Quantität: Auf die manipulative Kraft abstrakter, für den Rezipienten schwer greifbarer Zahlen und pseudo-anschaulichen Vergleichen, um von der Schaffenskraft der Telekom zu überzeugen.

Was die Perspektive angeht, würde man beim Film von einer Supertotalen sprechen. Das vermittelt folgenden Eindruck: Die Bemühungen der Telekom sind allgegenwärtig, sie reichen von den Funkmasten über der Stadt in alle Himmelsrichtungen, bis hinab ins erdreich. Das Telekommunikationsunternehmen, es kümmert sich. Es erhebt die Internetversorgung zur zivilisatorischen Notwendigkeit und treibt den Aufbau und Fortschritt voran, so die Botschaft der Infografik.

Die Infografik lässt im Unklaren, welche Konsequenzen die Jahresleistungen des Unternehmens für die Lebensrealität der Menschen hat. Sie versucht, das eigene Wirken als fortschrittlich bzw. futuristisch darzustellen (vgl. Raketen-Illustration), während die Internetversorgung in Deutschland längst von der Gegenwart überholt wurde – im internationalen Vergleich liegt sie nämlich weit unter dem Durchschnitt.

Quellen

  • Helen Kennedy et al.: The work that visualisation conventions do (2016)
  • Kress, Gunther R. (2009). Multimodality: A Social Semiotic Approach to Contemporary Communication. London, New York: Rouledge

Wovon wir reden, wenn wir von Mobile Accessibility reden und wie man damit das Internet gewinnt

Liebes Internet,

sie sind hier, und sie sind viele. Smartphones, Smartwatches, Phablets, Tablets, Convertibles – die Anzahl unserer Gadgets und Gehirnprothesen, sie nimmt nicht ab, im Gegenteil. Mobile geht nirgendwohin, mobile ist absolut und unwiederbringlich here to stay, während die Nutzung stationärer Rechner, Desktop-PCs und Laptops, an Selbstverständlichkeit verliert. Und wenn ich so flapsig von Prothesen schreibe, dann meine ich das gar nicht bloß metaphorisch und auch nicht flapsig, sondern ganz real und verbindlich, denn mobile Devices bieten heute eine ganze Menge Features, um beeinträchtigten Menschen einen unkomplizierten Zugang zum Web und generell digitalen Inhalten zu ermöglichen. Und das ist großartig – wenn wir uns nicht aus der Verantwortung stehlen.

Warum Content-Strategen sich auch als Mobile-Accessibility-Beauftrage verstehen müssen

Wie kompliziert die Nutzerfahrung am Endgerät ist, das liegt inzwischen gar nicht so sehr mehr am Gerät, sondern an uns, die wir als Schaffende digitaler Inhalte diese Menschen mitdenken müssen, damit wir sie nicht von der Nutzung unserer Angebote ausschließen. Immerhin sprechen wir hier von rund 15% der Bevölkerung. Im aktuellen Screenreader-Survey von WebAIM erhoffen sich 85% der Befragten bessere, das heißt more accessible Websites. Es liegt also vor allem uns an uns, die Barrierefreiheit im Netz zu verbessern. Die Technik, die ist schon da.

Mobile Accessibility bedeutet grundsätzlich, dass blinde Menschen, gehörlose Menschen und andere aus irgendeinem Grunde auf Hilfsmittel angewiesene Personen in der Lage sind, mobile Geräte ohne größere Einschränkungen zu verwenden. Moderne iPhones oder Android-Geräte verfügen über native Screenreader wie VoiceOver oder TalkBack, über Hochkontrast-Modi, Braille-Bedienungshilfen, Zoom-Funktionen und so fort.

Wer im Web mit seinem Content gewinnen möchte, muss darin eine ganzheitliche, das heißt auch eine Mobile-Accessibility-Siegermentalität transportieren, das predigt Marcy Sutton, die eine Art Accessibility Evangelistin verkörpert und entsprechende Accessibility-Tools bei axe entwickelt.

Schon seit Jahren gibt es mehr mobile User als Desktop-User

Das heißt, wer digitale Services konzipiert, muss für ein wirklich barrierefreies Angebot detailgenau arbeiten. Denn, liebes Internet, wusstest du, dass Screenreader zum Beispiel auf semantische HTML-Auszeichnungen angewiesen sind, um etwa Navigationselemente zu erkennen? So wird ein Screenreader-User niemals deine Burger-Navi nutzen, wenn du sie in einem div-Container versteckst. Wahrscheinlich wusstest du das eh, immerhin bist du das Internet. Ich wusste jedenfalls nicht, darum ging die Sache umgehend als Ticket an meinen Lieblings-Dev.

However, in einem (zwei Jahre alten) Talk bespricht besagte Sutton eine Reihe von Maßnahmen, um typische Mobile-Accessibility-Barrieren auszumerzen. Diese seien nun nachfolgend in aller mir möglichen Prägnanz zusammengefasst. Aktuell sind die Maßnahmen imho immer noch, denn wer fragt sich – Hand aufs Herz – bei seinen täglichen Website-Projekten denn nun wirklich, ob man Screenreader-konform gearbeitet hat? Ich werde es jedenfalls künftig tun.

Quick Win 1: Let them zoom!

Wenn Webdesign ohne den User gedacht wird, dann treibt das zuweilen seltsame Blüten. Unarten wie Zoom-Sperren oder Scroll Highjacking zugunsten des künstlerischen Ausdrucks oder eines ausgeklügelten Website-Narrativs gehen leider oft zulasten der Bedienbarkeit. Wenn der Text auf einer Website zu klein ist, muss man ihn vergrößern, in ihn hineinzoomen können – oder man schließt, so klar muss man das sagen, eine größere Gruppe von Menschen vom Zugang zu seiner Website aus.

Auch Swipe-Interfaces sind häufig nicht Accessibility-konform. Um auch Screenreader-Usern die Interaktion mit „interaktivem“ Swipe-Content zu ermöglichen, sollte man ggf. zusätzliche Buttons integrieren, die von allen gängigen Devices gelesen werden können. Die Frage: Können meine User bzw. die User, die ich erreichen möchte, alle Features meiner Website oder App nutzen? – ist einfach Teil der Herausforderung.

Quick Win 2: Optimiere zuerst für Menschen!

Mache es deinen Usern so leicht wie möglich, sich auf deiner Website zu bewegen. Minimiere den cognitive load; überlege und analysiere genau, welche Elemente, welche Bilder, Teaser oder Content wirklich benötigt werden und dem User einen relevanten Mehrwert bieten, während er sich auf deiner Seite bewegt. Je cleaner und funktionaler dein Angebot ist, desto besser lässt es sich auch auf Hilfsmitteln wie Screenreadern verwenden. Klare Strukturen entlasten Kopf und Devices – und zahlen sich schließlich aus. So bleibt deine Website interessant und Interaktionsraten und Verweildauern steigen.

Außerdem: Check your privilege! Wenn du wichtige Funktionen hinter ikonografischen Schaltflächen platzierst, vergewissere dich, dass deine User die Icons auch verstehen. Auch wenn die Bedeutung eines Symbols für dich selbstverständlich ist, muss das nicht für jeden deiner User gelten. Eine ältere Zielgruppe ist vielleicht weniger vertraut mit einem Burger-Icon, jüngere Nutzer können möglicherweise wenig mit einem Disketten-Symbol anfangen. Der Einsatz von Labels hilft, Unklarheiten in der Nutzerführung zu verhindern.

Quick Win 3: Warum Semantik siegt

In meiner kleinen Berliner Software-Klitsche ist Mobile Accessibility unter den Frontend-Entwicklern aktuell leider noch kein Herzensthema – ich habe mir vorgenommen, dies in nächster Zeit wenigstens punktuell voranzutreiben. Denn es gibt hier, auch darauf weist Sutton hin, mithilfe von HTML5 relativ einfache Möglichkeiten, um die eigenen Inhalte lesbar zu machen für mobile Screenreader.

Eines davon ist der Hamburger-Button, der auf mobilen Websites häufig als Menü-Button zum Einsatz kommt. Ist dieser in ein div-Tag eingebettet, wird ein Screenreader-User nicht erfahren, dass es ihn gibt. Das div-Tag enthält keine semantischen Informationen, die für das Gerät lesbar sind. Er wird also keine Möglichkeit haben, die Website-Struktur und damit das Content-Angebot zu überblicken.

Dies lässt sich einerseits ganz einfach fixen durch die Verwendung von Button-Tags, die die Burger-Menü-Schaltfläche erreichbar machen für die Keyboard-Navigation. Damit der Screenreader außerdem auslesen kann, was sich hinter der Schaltfläche verbirgt, müssen wir den Button mit einem Label versehen.

HTML5 bietet eine Reihe von Accessibility-Features an, dazu zählen etwa die ARIA-Attribute (Accessible Rich Internet Applications). Das Attribut aria-label beinhaltet eine Meta-Information, die für Screenreader lesbar ist: Ein einfacher Weg, um Burger-Icons mobile accessible zu machen. Weitere Einsatzmöglichkeiten für ARIA findest du in der oben verlinkten Mozilla-Dokumentation zum Thema.

Tools für Mobile Accessibility Audits

Zum Schluss noch einige Tools, mit du händisch oder automatisiert prüfen kannst, ob deine Website oder App mobilen Accesibility-Ansprüchen genügt – oder wo ganz konkret Nachbesserungsbedarf besteht.

  • TalkBack (Android): TalkBack ist eine Screenreader-Software für Android-Geräte, die auf den meisten Geräten vorinstalliert ist.
  • VoiceOver (iOS): Gestenbasierter Screenreader für Apple-Geräte.
  • AccessibilityScanner (Android): Diese App scannt die Screens deiner App und prüft Labels, Kontrast, Content Labels usw. auf Accessibility-Probleme
  • aXe: Automatisiertes Accessibility-Testing über die Entwickler-Tools von Chrome oder Firefox

Weiterlesen:

Accessibility für Content-Strategen (FH Joanneum OER)
Übersicht zu barrierefreien Web-Applikationen und Komponenten
BBC Mobile Accessibility Guidelines
Marcy Sutton – How to Win at Mobile Accessibility – btconfBER2015 (Vimeo)

CyborgCity/dieSchlachtumTroja.kon – Bühnen-Fotografie

Liebes Internet,

kürzlich durfte ich wieder einmal für meine gute Freundin Laura, die eine ganz tolle Kostüm- und Maskenbildnerin für Film und Theater ist, Theaterfotograf spielen. Zur Generalprobe des Theatercomputerspiels CyborgCity im alten Stummfilmkino Delphi habe ich mich für ungefähr zwei Stunden hinter meiner Kamera versteckt, während meine Mitstreiter sich darum fetzten, ihren Menschenkörper behalten zu dürfen oder aber ganz und gar im Virtuellen aufzugehen, sozusagen in die Welt der Algorithmen zu transzendieren. Aber sowas bin ich ja aus meiner täglichen SEO-Arbeit gewohnt. Jedenfalls, nachfolgend einige Arbeitsnachweise.

 

UX-lesson learned: Design is not an art? Doch, ich finde schon.

Liebes Internet,

Design ist eine Disziplin, die primär funktionellen Ansprüchen genügen und konkrete Probleme lösen möchte. Ästhetik ist dabei bloß ein Mittel zum Zweck. So weit, so banal. Auch UX-Design und vor allem Nutzerforschung arbeiten dahingehend mit ziemlich komplexen Prozessen, das habe ich in den letzten Wochen auf die harte Tour erfahren dürfen. Einige Takeaways von meinem jüngsten Ausflug in die Welt des User Research und Interaction Design findest du in den folgenden Zeilen.

#neuland: ein UX-Projekt from scratch

In diesem zweiten Semester meines COS-Studiums an der FH-Joanneum wollte ich, durfte ich, musste ich bei zwei ganz unterschiedlichen Dozenten ausnehmend viel Spannendes und Praktisches aus den Bereichen User Research und Interaction Design in mich hineinlernen und ausprobieren, u.a. auch während einer einer Exkursionswoche nach London. So habe ich in wenigen Wochen neben der üblichen Theoriespritze ein Projekt umsetzen dürfen – vom Brief bis zum Konzept-Pitch inkl. Click-Dummy. 

Folgende Abbildung von J.J. Garrett abstrahiert den Design-Prozess, der mit der Strategie-Ebene beginnt und bei der finalen, sicht- und anfassbaren Surface-Ebene abschließt. Ich denke, die Abbildung verschafft einen ganz guten Eindruck, wie vielschichtig und tatsächlich linear der Planungsprozess eines App- oder Websiteprojekts im Idealfall verläuft.

Das war nun durchaus neu für mich, das resolut Analytische daran. Dieses holistisch verlappte Design-Denken, das sich so organisch fortpflanzt vom unspezifischen Nutzerproblem über die sorgfältige Analyse von Verhalten und Bedürfnissen der Zielgruppe zum ausgefeilten Prototypen, der im besten Fall etwas wirklich neues anbietet – ein (latentes oder akutes) Bedürfnis befriedigt und damit im besten Sinne eine positive Erfahrung darstellt, eine User Experience mit wirklichem Mehrwert.

Und immer wieder: Kill your darlings!

Übrigens, für diesen Blogpost habe ich die besten Sätze herausgestrichen. Sie waren die besten aller Sätze, sie waren richtig, aber nicht zu leben. Dieser Blog wäre für den Rest meines Studiums verloren gewesen, jeder weitere Post nur ein müder Abklatsch, darum musste ich sie herausstreichen.

Nein, tatsächlich ist so ein UX-Projekt, die Entwicklung einer App oder einer Website, wie ein Spiel mit einem Fallensteller. Genaueres hierzu gibt’s bei Alexandra zu lesen. Immer wieder muss man seine eigenen Annahmen, Überzeugungen und Erfahrungen auf die Kompatibilitätsprobe mit der Realität stellen und notfalls über Bord werfen.

“The hardest assumption to challenge is the one you don’t even know you are making“

-Douglas Adams

Ist das Konzept, das man sich gerade in stundenlanger Diskussion zusammen gebastelt hat, wirklich tragfähig? Ist es machbar? Und, am wichtigsten: Ist es das, was die User wollen? Warum sollten sie das Produkt verwenden? Immer wieder gilt es, seine Arbeit zu hinterfragen und sich wenn nötig radikal von Ideen zu verabschieden, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.

Die eine, die nicht teilbare, die absolut singuläre Antwort auf eine Problemstellung, die gibt es natürlich auch nicht. Das muss man sich als UX-Design-Novize immer wieder klar machen. Je unspezifischer das Briefing ist (und je höher das Budget), desto mehr Lösungsmöglichkeiten ergeben sich für ein UX-Projekt.

UX-Design ist kein Reißbrett-Job. Die Kunst des UX-Designers besteht für mich darin, die Augen überall zu haben. Gleichzeitig Mauern zu errichten und niederzureißen. Er muss mit der Gründlichkeit eines Sozialforschers die manchmal unendlich komplexe Realität auf einen Ausschnitt, ein Abbild, ein So-ist-es eines Problems reduzieren können und wiederum vom Willen zur Innovation getrieben sein, um schließlich neue Wege aufzuzeigen. So ähnlich wie ein Content-Stratege. 😉

Fazit 

Design Thinking ist für mich also durchaus eine Kunst; Es ist ein ungemütlicher, interdisziplinärer, aber im Kern schöpferischer Prozess, der aus einem riesigen Pool an Research- und Kreativmethoden schöpft, um der geforderten Problemlösung auf die Spur zu kommen. Erfahrung und ein breites Wissen ist dabei von Vorteil. Aber verlass‘ dich nicht drauf. 

Auf dem Weg zu einem Produkt, das die Kundenanforderungen und Zielgruppeninteressen bestmöglich abbildet, sind bei mir vor allem folgende Handlungsmaximen im Gedächtnis geblieben:

  • Nimm dir Zeit und entwickle eine klare Strategie.
  • Sorgfalt bei der User Research und eine klare Datenbasis sind key!
  • Mache dir immer wieder bewusst, wer deine User sind und was sie brauchen (und was nicht).
  • Kill your darlings! – Und sei bitte nicht nachtragend.
  • Denke minimalistisch und reduziere dein Konzept auf die wesentliche Funktionalität deines Produkts.