Quick and dirty: Content Audits für Kassenpatienten

Liebes Internet,

seit einem Dreivierteljahr studiere ich ja bereits Content Strategie in Graz. Es ist bemerkenswert, dass es in dieser Zeit sehr oft und sehr ausgiebig zum Austausch gekommen ist darüber, was das denn eigentlich ist, ein Content-Stratege, und was man dann so macht als ein ausgebildeter solcher, also dann so zum Brötchenerwerb.

Viele Personen aus meinem nahen Umfeld aus Freunden und Familie glauben, es sei etwas mit Schreiben, also ich würde einfach Schreiben fürs Internet lernen, weil ich das ja immer schon gemacht hätte (als ob), obwohl ich meistens entgegne dass ich vielmehr so etwas lerne wie Unternehmensberatung für das Internet, obwohl das auch etwas schmierig klingt und unvollständig, aber etwas kompakteres ist mir dann auch nicht eingefallen bisher. Also, was ist das denn nun, dieses Contentstrategentum?

Content-Strategen als Hausärzte des Internets?

Die von mir sehr geschätzte Rahel Bailie, die auch in Graz unterrichtet, hat mich fürs erste gerettet und erlöst aus meinem Definitionsdilemma. Für sie sind Content-Strategen nämlich die Hausärzte der Contentwelt, wie sie kürzlich sehr treffend festhielt, in einem famosen Blogpost. Ganz ähnlich wie so ein Hausarzt ist ein Content-Stratege mehr Universalist als Spezialist.

Das heißt, er besitzt ein Grundlagenwissen in den verschiedensten Disziplinen, das ihm ermöglicht, eine Diagnose zu stellen. Stellt sich das Problem des Patienten, das heißt die Anamnese, als sehr komplex oder spezifisch heraus, erfolgt die Überweisung zum Facharzt – Expertenwissen muss her, denn nicht jeder Content-Stratege ist im Online-Marketing genau so beschlagen wie im Bereich der technischen Infrastruktur von Websites oder kennt sich mit SEO ebenso gut aus wie mit User-Research-Themen.

Diese Definition ist nun auch für meine Eltern relativ greifbar, wenn auch nicht unbedingt für meine Oma. Fair enough.

Jedenfalls, zum grundlegenden Handwerkszeug eines Content-Strategen gehört der Content Audit, das ist das erste und wichtigste diagnostische Instrument des Content-Hausarzts. Dabei handelt es sich um die Bestandsaufnahme und qualitative Bewertung des vorhandenen Contents, also v.a. Website und Social-Media-Präsenzen des Patienten.

In Deutschland gibt es bekanntlich ein Zweiklassensystem im Wartezimmer, das heißt Privatpatienten genießen in der Regel eine bevorzugte Behandlung durch den Mediziner als gesetzlich versicherte Patienten. Nicht nur bekommen sie schneller einen Termin, sie erhalten oft auch eine hingebungsvollere Untersuchung, da der Arzt jede Behandlung einzeln abrechnen kann.

In meinem Job kommt es hin und wieder vor, dass ich sehr schnell konkrete Einsichten über ein Websiteprojekt benötige und keinen Zugriff habe auf mächtige Analyse-Tools. Zum Beispiel im Vorfeld eines Relaunchs, wenn der Kunde zum Beispiel keinen Zugriff auf Analytics-Daten hat, diese zu spät liefert oder der Produktmanager im Urlaub ist und keine Auskunft geben kann.

Ohne den Herren Doktoren unterstellen wollen, sie würden ihre Kassenpatienten nur oberflächlich behandeln: Sie haben mitunter ein kleineres Zeitfenster für jene zur Verfügung, damit sich das Praktizieren für sie rechnet, und müssen trotzdem zu einer klaren Diagnose kommen, die den Patienten weiterhilft. Tiefergehende Analysemethoden sind oft zeitaufwändig oder müssen zusätzlich bezahlt werden.

So ähnlich gestaltet sich oft auch die Arbeit eines Content-Strategen. Darum kommen hier nun ein paar schnelle Tipps und Tools für Content Audits bei „Kassenpatienten“. Diese eignen sich übrigens auch hervorragend, um Wettbewerber unter die Lupe zu nehmen.

Quick and dirty: Content Audits für Kassenpatienten

1. Screaming Frog nutzen und Content-Struktur ermitteln

Der Screaming Frog ist ein tolles Tool für detaillierte Website-Crawls. Die Free-Version sammelt bis zu 500 URLs ein und liefert schnelle Einsichten über die oberflächliche Beschaffenheit und Struktur einer Website. Der Export in ein Spreadsheet liefert schnell und zuverlässig antworten auf wichtige Fragen wie: Wie ist die Sitemap beschaffen? Welchen Content gibt es? Ist er mit Metainformationen ausgezeichnet? Zusätzlich lässt er sich etwa mit Google Analytics oder der Search Console verbinden, um detaillierte Daten über Zugriffe und Nutzerverhalten zu erfassen.

2. Sichtbarkeitsindezes checken

SEO-Research-Tools wie Searchmetrics oder Sistrix bieten kostenlose Schnupperausführungen an, die etwa einen Eindruck der generellen organischen Sichtbarkeit erlauben und sichtbar machen, welche Keywords die wichtigsten Trafficquellen einer Domain sind. Dazu nutze ich gerne SimilarWeb, um eine Einschätzung über Umfang und Quellenverteilung einer Website zu erhalten. Generell sollte man die Aussagekraft solcher Sichtbarkeitsindezes aber nicht überbewerten, vor allem, wenn das eigene Projekt eher nischig unterwegs ist. Dann ist es nämlich meiner Erfahrung nach durchaus wahrscheinlich, dass der Keywordpool des Anbieters die eigenen Themen nur oberflächlich mitabbildet.

3. Keyword-Recherche durchführen

Möchte man ohne Analytics-Daten Einblick in die Performance einer Website bekommen, etwa die Sichtbarkeit zum relevanten Themenbereich in der Suchmaschine, helfen zunächst Tools wie die obengenannten. Für tiefergehende Insights muss man sich dann schon etwas genauer mit der Brand- oder Produktstory befassen, eigenständig die relevanten Themencluster bestimmen – und diese händisch und stichprobenartig über die wichtigsten Suchpattern abfragen (Inkognito-Modus im Browser nicht vergessen). Die Ergebnisse (Keywords, Suchvolumina + Ziel-URL) in einem Spreadsheet festhalten. Dabei helfen Keyword-Research-Tools wie Mangools, Keywordtool.io, der Google Keyword-Planer oder Answerthepublic.com. Am besten ausprobieren und einen eigenen Workflow entwickeln.

4. Usability testen mit Google- und Browser-Tools

Auf den Websites, die ich derzeit betreue, sind locker zwei Drittel der User auf Mobilgeräten unterwegs. Bei der Auditing-Arbeit hält man sich aus Bequemlichkeitsgründen nun doch meist am Schreibtisch auf, das heißt am Desktop-Rechner. Das verleitet dazu, bloß einen schnellen Blick auf die Desktop-Version einer Website zu werfen und die mobile Variante nur mal schnell durch den Mobile-Friendly-Test zu jagen. Viel sinnvoller ist ein klares Mobile-First-Denken, weil man sonst schlicht und einfach den Großteil der User aus seinen Überlegungen ausschließt. Hier empfehle ich den Device Mode oder Responsive Design Mode gängiger Browser wie Firefox oder Chrome, der die Darstellung von Websites auf verschiedenen Geräten und Bildschirmgrößen simuliert. Durch die Content-Inventur aus Schritt 1 hat man idealerweise bereits die wichtigsten URLs identifiziert, hat aus Gesprächen mit den Stakeholdern in Schritt 3 Erkenntnisse über Produktstory und die wichtigsten KPIs bekommen und kann über ein paar schnelle Usability-Tests die Problemdiagnose durch qualitative Insights vertiefen.

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